Dienstag, 28. Februar 2017

Jeanette Winterson "Der weite Raum der Zeit"

Leons Frau MiMi ist schwanger, doch er ist sich sicher, dass das Kind das Ergebnis einer Affäre mit seinem besten Freund Xeno ist. Nach Perditas Geburt soll das Kind zu Xeno geschafft werden, er will es nicht sehen und glaubt den Unschuldsbeteuerungen seiner Frau kein Wort. Doch Perdita kommt nicht bei Xeno an. Jahre später will Perdita mit ihrem Freund Zel mehr über ihre Vergangenheit herausfinden und stößt auf Leons Geschichte.
In „Der weite Raum der Zeit“ bearbeitet Jeanette Winterson Shakespeares „Wintermärchen“ neu und sehr modern. Trotzdem bleibt das Grundkonzept erhalten, die Namen erinnern an die Originale und die Story ist auch sehr ähnlich, wird jedoch in eine moderne, sehr kapitalistische Welt katapultiert. Mir hat der Schreibstil von Winterson besonders gut gefallen, die Story wird dadurch spannend und beim Lesen taucht man völlig ein in die Welt von Perdita und Leon. 
Die blinde Eifersucht, die ihn treibt und damit MiMi sogar fast das Leben kostet, ist beängstigend und nur schwer nachvollziehbar für mich, aber er zerstört damit nicht nur sein Leben, sondern auch das aller Menschen um sich herum. Nach diesem speziellen Tag, an dem er Perdita weg gibt, ist nichts mehr wie es je war, weder für seine Frau, noch für Xeno oder Leons Sohn Milo. Sehr gut beschreibt Winterson die umfassende Gewalt, die in der der destruktiven Kraft der Eifersucht wohnt. Perdita bildet einen regelrechten Gegenpol, behütet aufgewachsen glaubt sie an die Kraft von Liebe und Vertrauen und ist von ihrer Vergangenheit sehr schockiert.

Jeanette Wintersons Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“ für das Hogarth Shakespeare Projekt ist spannend, bewegend und sehr modern geschrieben. Auch ohne die Kenntnis vom Originalstoff ist das Buch absolut empfehlenswert. 

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Hier geht es zu weiteren Information zum Hogarth Shakespeare Projekts des Knaus Verlags und zur Leseprobe

Marion Grillparzer "Cleverer als No Carb - Die Carb-100 Formel"

Marion Grillparzer hat wieder ein neues Buch herausgebracht und ich war sehr gespannt, ob es noch etwas Neues bringen kann, da ich bereits einige Glyx-Bücher kannte und auch von der „All you can eat-Diät“ sehr begeistert war. 
Das Buch heißt „Cleverer als No Carb – Die Carb-100-Formel“ und der Titel fasst eigentlich schon zusammen worum es geht. Statt auf Kohlenhydrate völlig zu verzichten, soll man sie sinnvoll konsumieren, in Form von guten Kohlenhydraten aus Obst, Gemüse und Vollkornprodukten statt aus einfachen Zuckern, die unseren Körper durchdrehen lassen.
Die Aufmachung des Buches ist graphisch wieder sehr gelungen, die Optik ist sehr ansprechend und auch sehr übersichtlich gestaltet. Es gibt Kapitel die sich mit Ernährung oder Bewegung auseinandersetzen und eine tolle Liste mit 100 Lebensmitteln, die die Basis für eine gesunde Ernährung darstellen können. 
Das positive an diesem Buch ist für mich der pädagogische Ansatz, der dahinter steht. Statt wie viele Diäten mit einem „Du darfst nicht“ daherzukommen, vermittelt Grillparzer ein positives Gefühl für Ernährung und Lebensmittel. Statt Dinge zu verbieten, wird Gutes empfohlen, immer mit dem positiven Anreiz, es selbst auszuprobieren und festzustellen, wie gut es funktioniert. Schon nach kurzer Zeit bekommt man selbst ein gutes Gefühl für Lebensmittel, wie viel wo von einem gut tut oder auch eben nicht.
Marion Grillparzers Buch richtet sich an gesundheitsbewusste, selbstbestimmte Menschen, die selbst herausfinden können, was ihnen gut tut- dieses Buch ist dafür jedoch ein großartiger Leitfaden und Ideengeber. Am wichtigsten für mich ist die Erkenntnis, dass es kein grundsätzlich verboten oder falsch gibt, sondern ein Durchhänger sich auch immer wieder ausgleichen lässt und dass die Pizza, auf die man eigentlich verzichten wollte, einem als einmalige Ausnahme sicher nicht die ganze Einstellung kaputt machen darf. Daher kann ich „Cleverer als No-Carb – Die Carb-100-Formel“ allen empfehlen, denen es nicht um das bloße Abnehmen, sondern um eine gesunde und ganzheitliche Ernährung und Lebensweise geht. 

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen des Heyne Verlags. 

Montag, 27. Februar 2017

Dick Bruna "Wer ist das im Zoo, Miffy?

Nach Jahrzehnten hat jetzt der Diogenes Verlag die berühmten Miffy-Bücher von Dick Bruna auf Deutsch herausgegeben. „Wer ist das im Zoo, Miffy?“ erzählt in sehr schlichten Bildern vom Zoobesuch von Miffy und den Tieren, die sie dort kennenlernt.
Die Bilder sind dabei wirklich sehr süß gezeichnet und die Kinder werden dazu angehalten, erst einmal zu raten, was für ein Tier Miffy wohl gerade sieht, bevor auf der nächsten Seite die Auflösung kommt. Durch die schöne Grafik ist das Vorlesen für Kinder und Erwachsene gleichermaßen schön, auch die Haptik habe ich als sehr positiv empfunden. Das Buch hat eine schöne kleine Größe und ist dabei sehr stabil, die Seiten können nicht leicht umknicken, so dass man sehr lange etwas von dem Buch.

Mir hat „Wer ist das im Zoo, Miffy?“ als Kinderbuch ausgesprochen gut gefallen, eine schöne kurze Geschichte mit tollen Bildern, die Kinder begeistern können. 

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Hier geht es zu weiteren Titeln der Miffy-Reihe im Diogenes Verlag. 

Joan Weng "Noble Gesellschaft"

In der noblen Gesellschaft im Berlin der 20er Jahre kommt es zu gehäuften Todesfällen, auf den ersten Blick Selbstmorde, doch der berühmte UFA Schauspieler Carl von Bäumer glaubt nicht daran. Das wäre viel zu einfach. Sein Lebensgefährte Paul ist bei der Polizei und so ist Carl dicht dran an den Ermittlungen und stellt auch eigene Nachforschungen an. Zu dem ersten Todesfall kommen noch ein verschwundenes Hausmädchen und ein hinterrücks erschossener Stricher eines Ringerverbandes hinzu und ganz langsam kann Carl die Verbindungen herstellen.
In „Noble Gesellschaft“ zeichnet Joan Weng ein sehr schönes Porträt der Gesellschaft Mitte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Besonders die wohlhabenderen Leute führen ein fast schon dekadentes Leben mit Hauspersonal, Feiern und Champagner während andere sich sehr abrackern müssen. Ein wichtiges Thema ist auch das Verbot von homosexuellen Beziehungen, was immer wieder am Beispiel von Carl und Paul dargestellt wird, die nicht zu ihrer Liebe stehen dürfen, im Familienkreis aber sehr offen damit umgehen. Diese Darstellungen einer Gesellschaft in einer bestimmten Zeit sind sehr gelungen und machen das Lesen zu einem Vergnügen.
Ich finde den Begriff des Krimis für dieses Buch jedoch sehr schwierig. Es wird zwar in einem Mordfall ermittelt, doch alles sehr nebenbei und ohne größere Bedeutung, auch die Polizeiarbeit von Paul spielt kaum eine Rolle, was ich in einem Krimi jedoch erwarten würde. Carl schlendert eher als Hobbydetektiv durchs Leben, dem ein paar Hinweise in den Schoß fallen, wie der Fall zu lösen ist. Spannung entstand für mich beim Lesen jedoch nicht wirklich, was ich sehr schade fand. Als großer Fan der Gereon-Rath-Reihe von Volker Kutscher hatte ich mir hier mehr erhofft, als die gelegentliche Erwähnung des berühmten Namens Ernst Gennart.

Alles in allem empfinde ich „Noble Gesellschaft“ von Joan Weng als schöne Gesellschaftsbeschreibung, jedoch fehlte mir die Spannung, die ich von einem Krimi erwarte. Es plätscherte für mich etwas zu sehr dahin, ohne treibende Kraft in der Kriminalhandlung. 

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Hier geht es zur Leseprobe und weiteren Informationen vom Aufbau Verlag. 

Mittwoch, 22. Februar 2017

Volker Gebhardt "Kleine Geschichte der Malerei"

Eine „Kleine Geschichte der Malerei“ – kann es das überhaupt geben? Kann man etwas so Komplexes in einem kleinen Taschenbuch wie diesem zusammenfassen, ohne den Leser zu überfordern oder einfach Relevantes wegzulassen? Volker Gebhardt wagt mit diesem Buch zumindest einen Versucht, und der ist meine Meinung nach recht gelungen.
Ich selbst habe mir das Buch nach einem Museumsbesuch gekauft, denn der Audioguide war zwar gut und schön, aber ich hätte einfach gerne mehr Hintergrundwissen, wenn ich durch Museen laufe und möchte die Dinge gerne selbst etwas besser einordnen können. Natürlich kann dieses Buch nur einen minimalen Beitrag dazu leisten, aber dafür eignet es sich gut. Die Aufmachung ist zunächst einmal sehr übersichtlich, schon von außen kann man anhand der farbigen Markierungen der Seiten sehen, wo ein neuer Abschnitt beginnt und man findet sich schnell zurecht. Auch die Abdrucke der Bilder fand ich qualitativ für das Taschenbuch sehr gut und man konnte vom Text immer schnell zu Bildern am Rand springen, um schnell anhand des Bildes die beschriebenen Grundlagen nachvollziehen zu können.
Kritisch anmerken muss ich jedoch, dass mir das ganze teilweise zu abstrakt beschrieben war und zu viele Informationen in kürzeste Absätze gepresst wurden. Sicher gibt das dünne Format schon vor, dass hier alles schnell gehen muss. Ich hätte mir aber gewünscht, lieber den einen oder anderen Künstler wegzulassen und dafür mehr Wissen über zentrale Themen und Motive zu vermitteln.
Alles in allem hat mir das die „Kleine Geschichte der Malerei“ von Volker Gebhardt sehr gut gefallen, auch wenn ich mir an manchen Stellen eine Konzentration auf den großen Überblick gewünscht hätte, statt an vielen Stellen ins Detail zugehen. Ein großer Überbau hat mir an mancher Stelle beim Lesen gefehlt.


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Hier geht es zu weiteren Information und der Leseprobe des Dumont Verlags. 

Virginia Baily "Im ersten Licht des Morgens"

Eigentlich wollte Chiara nur einen Freund besuchen. Im Rom im Jahre 1943 ist sie unterwegs im jüdischen Ghetto, als die Nationalsozialisten die Juden zusammentreiben, um sie in Lager zu bringen. In Sekunden muss sie sich entscheiden, was sie tun soll – und rettet einen Jungen vor dem sicheren Tod, indem sie sich als seine Tante ausgibt. Jahre später holt sie diese Geschichte wieder ein, Danieles Tochter meldet sich bei ihr, sie ist auf der Suche nach ihrem Vater. Chiaras Leben gerät nach ruhigen Jahren wieder völlig durcheinander, denn auch sie weiß nicht, wo Daniele ist.
Virginia Bailys Roman „Im ersten Licht des Morgens“ ist eine wunderschöne Geschichte über die unbegrenzte Liebe einer Mutter zu ihrem Adoptivsohn und gleichzeitig ein wunderbares Porträt einer besonderen Stadt. Das römische Lebensgefühl dringt aus jeder Zeile der Geschichte und man wandelt beim Lesen mit Chiara durch die Straßen der ewigen Stadt, leistet ihr Gesellschaft bei Cappuccino und Cornetti und schlendert mit der jungen Maria durch die Ruinen des alten Roms. All dies ist jedoch nur die Basis für eine sehr bewegende Geschichte, die kein Einzelfall ist. Zahlreiche jüdische Familien wurden von den Nazis getrennt und auseinandergerissen. Daniele Levi, Chiaras Ziehsohn, ist hier nur ein Beispiel für viele gescheiterte Lebensentwürfe.

„Im ersten Licht des Morgens“ von Virginia Baily ist ein Roman voller Strahlkraft und Liebe, der einen sofort mitreißt und auf eine Reise schickt, die nicht immer leicht ist, aber einen umso mehr als Leser bewegt. Mich hat Danieles Schicksal ebenso sehr berührt wie das Chiara, Maria und Simone, alles sehr beeindruckende Figuren, daher konnte ich das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen. 

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Diana Verlags. 

Montag, 20. Februar 2017

Marion Grillparzer "Die All-you-can-eat-Diät"

„All you can eat“ klingt erst einmal nach Hotelanlagen mit überladenen Buffets und Menschenmassen, die mit Bergen von Essen an einem Tisch sitzen. Marion Grillparzer propagiert mit ihrem Buch „Die All-you-can-eat-Diät“ jedoch eine Gegenkonzept, eine Art „All you can eat- clever“. Die Grundaussage des Buches ist, man kann fast alles essen, wenn man es klug und durchdacht macht.
Der Aufbau des Buches ist sehr angenehmen, die Lektüre macht Spaß , es ist locker geschrieben und vermittelt gleichzeitig eine Menge Wissen über Ernährung und gesunde Lebensweise. Was mir an Grillparzers Buch besonders gut gefällt ist, dass sie so wenig dogmatisch daherkommt. Sie schreibt nicht darüber, was verboten und erlaubt ist, sondern schafft ein Gesamtkonzept, das vieles möglich und nur wenig unmöglich macht. Das setzt natürlich voraus, dass man bereit ist, sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen. Es braucht ein wenig Geduld, sich in das Thema einzulesen. Doch meiner Meinung nach ist all das so logisch und nachvollziehbar geschrieben, dass die Grundregeln schnell in Fleisch und Blut übergehen, ohne einen im Leben wirklich einzuschränken.

Mir hat das Buch einfach sehr gut gefallen, gar nicht unbedingt um abzunehmen, sondern um sich mit dem eigenen Lebensstil und der Ernährungsweise auseinanderzusetzen. Zu leicht lässt man sich von der Werbung zahlreicher Industrienahrungsmittel mitreißen, Marion Grillparzers Buch „Die All-you-can-eat-Diät“ holt einen da immer wieder ab und bringt einen auf einen guten Weg zu durchdachter und gesunder Ernährung. 

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Hier geht es zu weiteren Information im Verlag Gräfe und Unzer. 

Donnerstag, 9. Februar 2017

Martin Suter "Elefant"

In seiner Schlafhöhle findet der Obdachlose Schoch etwas, was er zunächst für ein Spielzeug hält, dann für eine alkoholbedingte Vision: einen kleinen rosa Elefanten, der aussieht wie eine Spielzeugausführung eines echten Elefanten und im Dunkeln leuchtet. Mit einem Unterschied: dieser Elefant lebt. Schoch erkennt schnell, dass dieses Wunderwerk geschützt werden muss und hat ebenso schnell den Schöpfer – wenn man ihn so nennen will- des kleinen Elefanten auf den Fersen. Dr. Roux will endlich berühmt und reich werden und dieser Miniaturelefant soll sein Schlüssel dazu sein.
„Elefant“ von Martin Suter ist zunächst einmal wunderschön geschrieben. Man verliert sich als Leser in Sprache und Handlung und muss sich unweigerlich auf die Geschichte des rosa Mini-Elefanten einlassen. Dabei trifft man auf wirklich herzensgute Menschen, die Sabu vor dem Schicksal, als Spielzeug für Kinder zu enden, die sonst schon alles haben retten wollen und gleichzeitig auf kalte Karrieristen, für die der kleine Elefant nur das Produkt eines wissenschaftlichen Experiments ist, das man besitzen und vermarkten kann, wie man möchte. Damit baut Suter gleichzeitig eine Drohkulisse vor uns auf und zeigt, was Genmanipulation schon heute bewirken kann. Unausgesprochen schwingt für mich dabei auch die Frage mit, was mit dem Ergebnis des Experiments passiert wäre, wenn es eben nicht ein niedlicher rosa Elefant geworden wäre, sondern etwas Beängstigendes, vielleicht Hässliches, Abstoßendes. Hätten sich dann auch so schnell Menschen gefunden, um das Wesen zu schützen und zu retten?
Martin Suters Roman „Elefant“ ist eine zauberhafte Geschichte, die auf das Gute im Menschen setzt, ein Kampf Gut gegen Böse um den putzigsten Protagonisten, der sich momentan auf der Bestsellerliste tummelt. Nur, dass das Böse eben nicht mehr wie in alten Märchen ein dunkler Zauberer oder eine schrumpelige Hexe ist, sondern ein außer Kontrolle geratenes wissenschaftliches Forschungszentrum, dass nur auf Profit und Popularität ausgerichtet ist und nicht auf gesundheitliche Aspekte der Genforschung. Für mich ist „Elefant“ von Martin Suter ein Ausnahmebuch, großartig zu lesen, mit einer tollen Idee und spannenden Umsetzung. Dieses Buch sollte ohne Einschränkung auf jede Leseliste.

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Hier geht es zu weiteren Informationen und der Leseprobe des Diogenes Verlags. 

Montag, 6. Februar 2017

Adrian McKinty "Rain Dogs"

Der neueste Band um den irischen Kommissar Sean Duffy heißt „Rain Dogs“ und spielt in Nordirland im Jahr 1987. Eine tote Frau wird in einer Burg gefunden und alles deutet darauf hin, dass sie Selbstmord begangen hat. Besonders da wie es scheint nachweislich niemand in der fraglichen Zeit die Burg betreten oder verlassen konnte, da ein schweres Gitter am einzigen Eingang heruntergelassen war. Doch die Gerichtsmedizin findet deutliche Hinweise für einen Mord und Duffy muss sich schon das zweite Mal in seiner Karriere mit dem Phänomen des „Locked Room“ auseinandersetzen.
Adrian McKinty hat für seinen Ermittler Duffy wieder einen hochspannenden Fall geschaffen. Doch nicht nur die Ermittlungen reißen einen als Leser mit, die ganze Szenerie rund um den Protagonisten Sean Duffy ist einfach hervorragend angelegt. Seine beiden Kollegen Crabbie und Lawson sind sehr unterschiedlich, dabei jedoch beide sehr sympathisch und zu dritt ergänzen sie sich großartig und sind ein tolles Team. Von anderen Krimis hebt sich auch die Idee ab, die Krimi-Reihe während der Unruhen in Nordirland spielen zu lassen und so ein ganz besonderes Umfeld zu schaffen. McKinty lässt sich jedoch nicht dazu verführen, Duffy in rein politischen Morden und Anschlägen ermitteln zu lassen, im Gegenteil, gerade die alltägliche Polizeiarbeit in solch schwierigen Zeiten zeigt er am Beispiel von Sean Duffy und macht seine Bücher dadurch besonders mitreißend. So muss Duffy zum Beispiel jedes Mal bevor er in sein Auto steigt, kontrollieren, ob darunter auch keine Bombe versteckt ist. Was diese Situation mit der Psyche der Polizisten in der Zeit macht, kann sich jeder Leser anhand der Beschreibungen schnell denken.
„Rain Dogs“, der inzwischen fünfte Band der Reihe um den Ermittler Sean Duffy von Adrian McKinty ist ein spannender und mitreißender Krimi, der einem gleichzeitig ein gutes Gefühl für die unruhige Situation in Nordirland in den 80er Jahren vermittelt. Für alle Krimi-Fans ist die Sean-Duffy Reihe von Adrian McKinty ein Muss. 

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Hier gibt es weitere Informationen und die Leseprobe des Suhrkamp Verlags. Meine Rezension zum ersten Band „Der katholische Bulle“ ist hier zu finden.
 

Freitag, 3. Februar 2017

Howard Jacobson "Shylock"

Shylock und Strulovitch lernen sich zufällig kennen, auf einem jüdischen Friedhof kommen sie ins Gespräch und der Kunstsammler Strulovitch lädt Shylock in sein Haus ein. Dessen Tochter ist verschwunden, während Strulovitchs Teenager-Tochter Beatrice grundsätzlich zwar noch zu Hause wohnt, aber eindeutig ihre Grenzen testet. Neuester Coup ist die Freundschaft zu It-Girl Plurabelle und die Beziehung zu seinem Fußballprofi, der zu allem Überfluss auch noch kein Jude ist. Für Strulovitch gibt es nur eine Möglichkeit, die Beziehung zu legitimieren: Der Fußballprofi soll sich nachträglich beschneiden lassen. Das erscheint dem jedoch etwas zu gewagt und die Geschichte nimmt Fahrt auf.
Howard Jacobsons Roman „Shylock“ ist im Rahmen des Hogarth Shakespeare-Projekts bei Knaus erschienen und ist eine Neubehandlung von Shakespeares Stoff aus „Der Kaufmann von Vendig“. Schwerpunkt des Romans sind die Gespräche zwischen Shylock und Strulovitch, in denen es hauptsächlich um ihre jüdische Identität geht, inwieweit sie sie beeinflusst und wo die Grenzen sind, die sie nicht überschreiten würden. Strulovitch wurde selber von seinem Vater enterbt, als er eine Christin heiratete, trotzdem stellt er jetzt fest, dass er als Vater ebenso handelt und sich nicht vorstellen kann, dass Beatrice keinen Juden heiratet. Die Gespräche zwischen Shylock und Strulovitch sind höchst amüsant zu lesen, sie haben sich scheinbar völlig in eine Blase zurückgezogen, aus der sie Entscheidungen treffen, die am Leben vorbeizugehen scheinen. So hat Beatrice dann auch entsprechend wenig Verständnis für die Vorstellungen ihres Vaters. Die Geschichte mit der nachträglichen Beschneidung führt Jacobson am Ende derart ad absurdum, dass man beim Lesen nur noch lachend den Kopf schütteln kann.

Der Roman „Shylock“ von Howard Jacobson ist ein witziger Parforceritt durch das jüdische Selbstverständnis der Hauptfiguren und sehr unterhaltsam zu lesen, daher kann ich den Roman nicht nur Shakespeare-Fans guten Gewissens weiterempfehlen. 

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Hier geht es zu weiteren Informationen des Knaus Verlag, der Leseprobe und zum Hogarth Shakespeare-Projekt. 

Ebenfalls im Rahmen des Projekts erschienen ist Anne Tylers Roman "Die störrische Braut".